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WIEN / Volksoper: WAGNERS RING AN EINEM ABEND - WA 27. Mai 2013

0114-28Bernhard-Victor Christoph von Bülow alias Loriot, der im September 2011 am Starnberger See verstarb, sagte einmal: „Ich bin Humorist. Das heißt nicht, dass ich aus einer Oper eine Parodie machen würde.“ Wer Loriot persönlich kannte - und ich hatte das Glück, ihn einmal in Bayreuth am Rande der Aufführungen der Festspiele, die er immer gern mit Evelyn Hamann besuchte, etwas kennen zu lernen - der weiß, wie das gemeint ist. So humorvoll Loriots Arbeiten oft vordergründig waren, verband der große Humorist mit seinen Sketchen, Filmen, einer Operninszenierung und eben auch mit der Arbeit an seinem „Ring an einem Abend“ große Ernsthaftigkeit. Sein sarkastischer, bisweilen bissiger Humor, der aber nie grob, verletzend oder gar albern wurde, war getragen von dem Wunsch, Wahrheit hinter nach außen vorgetragener Maske und vermeintlichen Wahrheiten aufzudecken und die Deutschen so zu einem gewissen Nachdenken über ihre bisweilen skurrilen, und zumeist „typisch deutschen“ Verhaltensweisen zu bewegen. Das wurde aufgrund der ausgefeilten und mit einer bis ins letzte Detail penibel strukturierten Dramaturgie zu einem ungeheuren Publikumserfolg, der noch heute nachwirkt. Loriots Sketche sind mit immer wieder zu hörenden Zitaten im Alltag wie „Mutti, ich kann nicht mehr…“ („Oedipussi“) et al. sozusagen in das deutsche Humor-Archiv eingegangen.

0114-29Ernsthaftigkeit sollte man also auch Loriots „Ring an einem Abend“ bescheinigen, den er nach Meinung von Marie von Baumbach im exzellent gestalteten Programmheft der Wiener Volksoper anlässlich einer Wiederaufnahme der musikalischen Fassung von Ernst Märzendorfer aus dem Jahre 1993 (Loriot war damals selbst der Sprecher) im Mai diesen Jahres aus einem „fast missionarischen Eifer, um den Menschen die Angst vor dem „Ring“ zu nehmen“ heraus schrieb. Hausherr Robert Meyer trug die damit umso wirkungsvolleren Loriotschen Kommentare mit der gebotenen Ernsthaftigkeit vor, und auch Jac van Steen ließ am Pult des Orchesters der Volksoper Wien hohe Qualität an Wagnerscher Symphonik hören, die abgesehen von ein paar auch andern- und prominenteren Orts zu hörenden Wacklern an die großen Tage der Mielitzschen „Meistersinger von Nürnberg“ erinnerte. Die Märzendorfer-Fassung widmet jedem der vier Stücke etwa 40 Minuten. Natürlich gibt es erhebliche Schnitte, das muss und soll ja auch so sein. Des Öfteren wirken die Abbrüche symphonischer Nummern, um den Sprecher wieder zu Wort kommen zu lassen, aber auch Umkomponierungen in laufenden Nummern, jedoch allzu abrupt. Wer den im November 2012 am Teatro Colón erstaufgeführten und nun auch auf DVD erschienen ColónRing in der 7-stündigen Kurzfassung von Cord Garben erlebt hat, weiß, dass sich solche musikalischen Kürzungen im „Ring“ auch sehr viel harmonischer bewerkstelligen lassen. So erwies es sich beim „Ring an einem Abend“ als besonders geschickt, die Musik bereits in den Vortrag des Sprechers hinein beginnen zu lassen, so etwa beim „Rheingold“- Vorspiel. Sehr gut gelang die Steigerung zum Vorspiel der „Götterdämmerung“ mit dem sich langsam bis zum forte entwickelnden Brünnhilde-Motiv ebenso wie der Trauermarsch und einige andere symphonische Höhepunkte des „Ring“.

0114-30Sängerisch blieb der Eindruck zumindest an diesem Abend allerdings gespalten. Sebastian Holecek ließ einen ganz vorzüglichen Wotan hören, der einen fragen lassen muss, warum er nicht einmal wenigstens in der ganzen Rolle des „Rheingold“-Wotan und wohl auch des Wanderers zu hören (gewesen) ist. Sein Bassbariton weist bei einer guten Höhe - u.a. ein herrlicher und lang gehaltener Bannspruch - viel Farbe, Ausdruck und Phrasierungskunst auf. Man meint zu hören, dass George London und Hans Hotter seine Vorbilder waren… Caroline Melzer sang die Sieglinde mit einer vorwiegend lyrischen Note bei guter Höhe. Sie würde für die gesamte Rolle aber wohl nicht das erforderliche Volumen und die nötige Tiefe haben. Auch das Walküren-Oktett bestehend aus Cornelia Horak (Gerhilde), Renate Pitscheider (Ortlinde), Sulie Gerardi (Waltraute), Alexandra Klose (Roßweiße), Adrineh Simonian (Grimgerde), Aura Twarowska (Schwertleite), Ursula Pfitzner (Helmwige), und Dorottya Láng (Siegrune) konnte im Ensemble überzeugen. Petar Naydenov gab den Hagen mit guter Tiefe und Phrasierung, klang aber in der Höhe etwas dünn. Unverständlich musste bleiben, warum er für den letzen Spruch „Zurück vom Ring“ noch einmal die Partitur mitbrachte und konsultierte. Michael Kraus gab als Alberich sein Rollendebut an der VO und sang den Nibelungenfürst mit einer zu kraftbetonten und etwas festsitzenden Stimme, die allerdings die zur Partie passende Klangfarbe aufwies. Die Fricka von Alexandra Klose blieb etwas dünn, wie auch der Loge von Jeffrey Treganza nicht mit einer großen Stimme aufwarten konnte, seinen sehr kurzen Part aber dennoch zufriedenstellend meisterte. Über den Gunther von Alexander Trauner und die Gutrune von Ursula Pfitzner lässt sich kaum etwas sagen, da sie fast nichts zu singen hatten. Karl-Michael Ebner war ein ansprechender Mime, solange die Stimme nicht mit den anspruchsvolleren dramatischen Phrasen der Rolle konfrontiert war. Sulie Gerardi war mit der „Götterdämmerung“-Waltraute stimmlich überfordert und konnte so auch als Flosshilde kaum überzeugen, ebenso wenig wie Christiane Kaiser als Woglinde mit einer für diese Rolle zu kleinen Stimme. Adrineh Simonian hingegen sang eine gute Wellgunde.

0114-31Die eigentliche stimmliche Problematik des Abends lag aber in der Besetzung der beiden Hauptrollen des Siegmund/Siegfried mit Endrik Wottrich und der Brünnhilde mit Irmgard Vilsmaier. Wottrich hat zweifellos beachtliches heldentenorales Material. Allein, das Timbre ist so sonderbar und durch allzu häufig verquollene Tongebung gekennzeichnet, dass dieses Potenzial nie wirklich zur Entfaltung kommt. Seine Stimme klingt wie verschlossen. Nun singt er zwar von Hause aus keinen Siegfried, neigte hier aber zu bisweilen nasaler Tongebung, einem S-Problem und auch zu ständigem Drücken. Darstellerisch, und da kann man auch konzertant eine ganze Menge machen, wie Holecek es im Dialog des Wanderers mit Siegfried im 3. Aufzug vorführte, ging keine Wirkung aus. Bei dessen „Es floh Dir zu seinem Heil!“ blickte Wottrich unbeteiligt weiter in seine Partitur… Irmgard Vilsmaier hat zweifellos ein klangvolles, fast mezzohaft abgedunkeltes Timbre in der Mittellage, welche sie bei guter Resonanz auch bestens phrasiert. Nun weist aber die Brünnhilde eine ganze Reihe von hochdramatischen Herausforderungen auf, sie gehören einfach zu der Rolle dazu, und wenn man sie nicht erfüllen kann, kann man wahrscheinlich keine Brünnhilde singen, zumal es dann wohl auch kaum gesund für die Stimme ist. Zumindest an diesem Abend ließen bei Vilsmaier fast alle diese Höhen zu wünschen übrig, ja klangen bisweilen schrill und gingen in wenigen Momenten gar bis an die Schmerzgrenze. Das hatte dann mit gutem Wagner-Gesang nur noch wenig zu tun. Schon bei ihrer Kundry in Tallinn 2011 verlor die Stimme in der Höhe schnell an Resonanz und wurde bisweilen schrill. Dazu kam dort eine unzureichende Diktion, und man hatte den Eindruck, dass sie sich in erster Linie auf die Erreichung der Töne konzentrierte. Man darf gespannt sein, wie Vilsmaier ihre Mitte Juli in Taipeh angesetzte „Walküre“-Brünnhilde und das im Januar 2014 geplante Rollendebut als Elektra in Leipzig meistern wird.

Fotos: Barbara Zeininger

Klaus Billand (www.klaus-billand.com)