„Die musikalische Sprache Wagners - ein Abenteuer, dabei sein zu dürfen…“
Als ich 2007 die Neuinszenierung der „Walküre“ in Riga erlebte, fiel mir sofort die Schwedin Elisabet Strid als Sieglinde in ihrem Rollendebut auf. Als ich sie nach der Aufführung an der Bühnentür fragte, ob sie schon einmal Wagner gesungen hätte, kam ein Nein. Ich war mir schon in jenem Moment bewusst, dass ich hier eine hoffnungsvolle junge Sängerin mit viel Potenzial für das Wagnerfach erlebt hatte. Jahre später sah ich sie als Elisabeth im „Tannhäuser“ in Oslo und im März 2012 in Tampere. Mein Eindruck in Tampere war damals: „Elisabet Strid wurde ebenso wie in Oslo zur zentralen Figur des 2. Aktes. Die Schwedin ist mittlerweile zu einer guten Wagnersängerin gereift. Ihr emphatisches Spiel mit einer natürlichen und überzeugenden Mimik zieht den Betrachter sofort in den Bann. Sie verkörpert hier die junge gläubige Frau, die begeistert mit der Bibel im Arm die teure Halle begrüßt. Strid lässt dabei einen ebenso ausdrucksstarken wie leuchtenden Sopran erklingen, der den geforderten Höhen mühelos gewachsen ist.“ Später erlebte ich sie auch noch als Gutrune in der „Götterdämmerung“ in Riga. Mit ihrem schön timbrierten jugendlich dramatischen Sopran setzte sie auch dort stimmlich gute Akzente. Aus Anlass ihrer Freia in neuen Bayreuther „Ring des Nibelungen“ interviewte ich Elisabet am Premierentag der 102. Festspiele in Bayreuth.
Ihr Werdegang und ihre Lehrerinnen
Schon in ihrer Kindheit hatte Elisabet ein großes Interesse an Musik, aber noch nicht an klassischer Musik. Als Kind sang sie viel aus Spaß, auch der fünf Jahre jüngere Bruder ist Sänger, aber mit Rock and Roll. Da sie als Kind etwas scheu war, sang sie unter dem Tisch, wenn Gäste da waren, aber offenbar recht gut. Sie ging dann auf ein Musik-Gymnasium in Malmö, wo ihr Gesangslehrer ihr Potenzial für die klassische Musik entdeckte. Es gab ein kleines Opernensemble in der Schule, wo sie neben Gesang auch Schauspielerei studieren konnte. Ihre erste Begegnung mit Wagner war ein Ausschnitt der Brünnhilde aus dem „Ring“. Sie empfand unmittelbar, dass sie eines Tages auch einmal so etwas singen wollte. Sie schloss sich einer Amateur-Operntruppe in Malmö an und verbrachte die nächsten vier bis fünf Jahre mit ihr, wo sie eine Menge lernen konnte. Mit 18 traf sie auch ihre Gesangslehrerin Karin Mang-Habashy, die sie gewissermaßen für den Operngesang entdeckte. Sie hatte eine gute Karriere als lyrischer dramatischer Sopran, insbesondere mit Wagner und Puccini. Später kam Elisabet zu Christina Öquist-Matton in der Opernakademie in Stockholm. Sie studierte neue Rollen mit Karin Mang-Habashy und Ivan Anguélov ein. Erstere hatte sie für die Bewerbung bei der Opernakademie vorbereitet, wo es 150 BewerberInnen auf nur 10 Stellen gab. Sie hatte Erfolg mit der Arie der Agathe aus „Der Freischütz“ und einer Arie aus „Madama Butterfly“ und wurde angenommen. Sie bekam daraufhin ein Kristina Nilsson-Stipenium für eine USA-Tournee von der Schwedischen Musikakademie und tourte mit einem Pianisten erfolgreich durch 10 Städte. Ein Aufenthalt in der Sommerakademie Vadstena am Vätternsee war für Elisabet ebenfalls sehr bedeutsam in ihrer weiteren Ausbildung. Hier hat auch Nina Stemme schon gearbeitet und gesungen.
Erstes Engagement, Rollen und ihre bevorzugten Komponisten
Man suchte 2004 bei der Norrlands Opera im schwedischen Umea einen Sopran. Der Direktor von Umea hatte sie in Vadstena gehört. Sie bekam die Stelle und begann 2005 mit der Liu aus „Turandot“, der Cleopatra aus „Giulio Cesare“ und sang schließlich auch die Rusalka in einer Koproduktion mit Kapstadt, wo die Premiere mit Elisabet stattfand. Später interpretierte sie an der Norrlands Opera die Pamina und auch die Ellen in „Peter Grimes“. Seit einiger Zeit ist sie frei schaffend. Mittlerweile hat sie die Rusalka in fünf verschiedenen Produktionen gesungen, u.a. in Göteborg und Mexico City. Elisabet liebt das italienische Fach und Puccini im besonderen. In Helsinki sang sie Butterfly und Georgetta, auch die Musetta in Malmö. Im Mai/Juni 2013 sang sie an der Rheinoper Düsseldorf die Sieglinde und die „Tannhäuser“-Elisabeth, beide unter der musikalischen Leitung von Axel Kober. Elisabet hat es sehr bedauert, dass die Produktion von Burkhard Kosminski abgesetzt wurde, denn es war eine sehr gute Probenzeit. Dass dann die restlichen Aufführungen nur konzertant gegeben wurden, hat die nach der intensiven und kommunikativen Arbeit mit dem Regisseur sehr bedauert.
Für Elisabet hängt sehr viel von der Zusammenarbeit mit dem Dirigenten ab. Er muss von ihrer Stimme überzeugt sein, im Zusammenhang mit dem Orchester. Sie würde auch gern mehr das deutsche Fach singen. Die schwedische Sprache kommt dem Deutschen sehr entgegen, ebenso wie dem slawischen Fach.
Warum Richard Wagner, und wie sieht sie ihre bisher gesungenen Rollen?
Die musikalische Sprache Richard Wagners mit ihren sensiblen Momenten, der Gemeinsamkeit von musikalischer und gesanglicher Linie - „es ist schon ein Abenteuer, da dabei sein zu können.“ Die Sieglinde ist eine starke Frau, man muss sie nicht nur entsprechend singen, sondern auch sehr intensiv spielen. Sieglinde nimmt ihr Schicksal in die Hand, nach dem Verlust im 2. Aufzug muss sich für sich allein weiter kämpfen, und sie tut das auch. „Man muss ganz in die Rolle schlüpfen“. Das schien ihr in Riga damals schon gelungen zu sein. Elisabet ist besonders erfreut, dass sie ihr Debut als Sieglinde dort mit Andris Nelsons machen konnte. Die Sieglinde ist so etwas wie ihre „Herzrolle“.
Die Elisabeth im „Tannhäuser“, die sie bereits in drei Inszenierungen gespielt hat und mit der sie eben ihr deutsches Debut in Düsseldorf unter Axel Kober machte, hat mit Tannhäuser eine ganz große Liebe. Und dafür riskiert sie eine Menge! Diese Rolle muss man mit einem großen Herzen spielen. Elisabet Strid hat das meines Erachtens in Oslo und Tampere gezeigt.
Die Gutrune hingegen ist ein Opfer der Gesellschaft, in der sie lebt. Sie ist gefangen in den Intrigen des Familienclans. Wenn sie Siegfried sieht, erkennt sie eine Möglichkeit, aus diesem Gefängnis auszubrechen. Sie sieht in ihm den idealen Mann, aus ihrem Dilemma herauszukommen.
Die Freia hält Elisabet für eine sehr wichtige Figur. Die Götter erhalten ihr Leben und ihre „ewige“ Jugend mit ihr. Man muss sein Bestes geben, um dieser Figur das nötige Profil zu verleihen. Mit der Freia kam sie ja auch nach Bayreuth. Als Eva Wagner-Pasquier in Riga war, um die Brünnhilde von Catherine Foster in der „Götterdämmerung“ zu erleben, im Hinblick auf den neuen Bayreuther „Ring“ 2013, war sie von der Gutrune Elisabets so angetan, dass sie ihr diese Rolle anbot. Sie freut sich sehr, im wunderbaren Bayreuther Festspielhaus arbeiten zu dürfen, mit den großen SängerInnen zusammen auf der Bühne zu stehen und von ihrer Wagner-Erfahrung zu profitieren. „To be part of this Wagner family in the summer is good for your inspiration.“
Und wie sieht die Zukunft aus - neue Rollen?
Als nächstes nach ihren Auftritten bei den Bayreuther Festspielen ist ihre erste Senta an der Opera Michigan geplant mit zwei Aufführungen Ende Oktober. Bei der Ada in „Die Feen“, gesungen in Bayreuth anlässlich der 200-Jahrfeierlichkeiten im Juli 2013, sieht sie drei Stimmtypen in einer Rolle vereint, eine sehr fordernde Partie. Es war für Elisabet ein wichtiger Schritt zur Senta, sich die Ada zu erschließen. Im Frühjahr 2014 kommen Auftritte in Leipzig mit dieser Partie. Eva und Elsa sind an einem weiteren Horizont geplant. In einigen Jahren, und wenn sich ihre Stimme gut weiter entwickelt, könnte man auch einmal an eine „Siegfried“-Brünnhilde denken… Im italienischen Fach reizt sie besonders die Tosca. Hier gibt es bereits eine konkrete Anfrage. Im deutschen Fach würde sie gern die Arabella ins Auge fassen und mit Freude eines Tages die Chrysothemis singen. Auch Fidelio könnte zu ihren zukünftigen Rollen gehören. Es gab bereits Angebote für die Kaiserin in „Die Frau ohne Schatten“, die Rachel oder Medea, die sie für reizvoll und im Bereich ihrer stimmlichen Möglichkeiten hält - dramatische und interessante Figuren. „Aber das muss sorgfältig Schritt für Schritt erarbeitet werden.“
Klaus Billand